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Herbert Mertin (Minister der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz):
50 Jahre Deutsche Richterakademie, veröffentlicht in:
DRiZ, Heft 5, 2023, S. 175 ff.

Die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie besteht seit nun­mehr 50 Jah­ren in Trier in Rheinland-Pfalz und seit 30 Jah­ren in Wustrau in Bran­den­burg. Die fei­er­li­che Eröff­nung der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie in Trier am 16. Febru­ar 1973 mit Dr. Ger­hard Jahn als Bun­des­mi­nis­ter der Jus­tiz, Dr. Hel­mut Kohl als Minis­ter­prä­si­dent des Lan­des Rheinland-Pfalz und vie­len ande­ren pro­mi­nen­ten Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern wur­de zurecht als bedeu­ten­des Ereig­nis der deut­schen Jus­tiz­ge­schich­te und als ein gelun­ge­nes Bei­spiel eines koope­ra­ti­ven prak­ti­schen Föde­ra­lis­mus wahr­ge­nom­men. Man woll­te die beson­de­re Stel­lung der Jus­tiz und ihrer Auf­ga­ben im demo­kra­ti­schen Rechts­staat stär­ken und setz­te mit der Ein­rich­tung der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie dem bis dahin genutz­ten Pro­vi­so­ri­um der sog. „Flie­gen­den Aka­de­mien“ ein Ende.

Heu­te haben die aller­meis­ten Rich­te­rin­nen, Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te in ihrer beruf­li­chen Lauf­bahn schon ein- oder mehr­mals eine Tagung an der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie in einer der bei­den attrak­ti­ven Tagungs­stät­ten besucht. Die Fort­bil­dun­gen wer­den durch­weg als Berei­che­rung emp­fun­den. Im Zeit­raum von 1973 bis 2022 konn­ten an der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie 4.877 Tagun­gen mit ins­ge­samt 161.102 Teil­nah­men erfolg­reich durch­ge­führt werden.

Mertin_1
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Fort­bil­dung ist unver­zicht­bar für die Bewäl­ti­gung des Berufs­all­tags der Rich­te­rin­nen und Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten. Der Leit­ge­dan­ke des lebens­lan­gen Ler­nens ist daher ein selbst­ver­ständ­li­ches Pos­tu­lat in der Jus­tiz. Die umfang­rei­chen Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie bele­gen dies ein­drucks­voll. So umfasst das Pro­gramm neben Fort­bil­dun­gen zum mate­ri­el­len natio­na­len und inter­na­tio­na­len Recht auch ver­hal­tens­ori­en­tier­te und inter­dis­zi­pli­nä­re Tagungen.

Dabei sind die Besu­che an der Rich­ter­aka­de­mie mehr als rei­ne Fort­bil­dun­gen. Die Tagungs­häu­ser in Trier und Wustrau sind auch Begeg­nungs­stät­ten, deren Besuch Gele­gen­heit zu kol­le­gia­len Kon­tak­ten und zum indi­vi­du­el­len Erfah­rungs­aus­tausch über die Län­der­gren­zen hin­weg bie­tet. Die Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten aus allen juris­ti­schen Berei­chen schär­fen seit 50 Jah­ren unter hohem per­sön­li­chen Ein­satz den Blick auf die aktu­el­le Recht­spre­chung und ihre Fort­ent­wick­lung eben­so wie auf gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen, denen sie in ihrem beruf­li­chen All­tag begeg­nen.

Mit ihrem Gesamt­an­ge­bot leis­tet die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie damit einen außer­or­dent­li­chen Bei­trag zu einer lebens­na­hen, leben­di­gen und wehr­haf­ten Jus­tiz, zu einer ein­heit­li­chen Anwen­dung des Bun­des­rechts.

Ich dan­ke allen, die in den letz­ten Jah­ren zu die­sem enor­men Erfolg bei­getra­gen haben: Den Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten, den Bediens­te­ten in der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie, Bund und Län­dern. Natür­lich gilt mein Dank auch der Stadt Trier und dem Land Bran­den­burg, wel­che seit nun­mehr stol­zen 50 bzw. 30 Jah­ren wun­der­schö­ne Tagungs­stät­ten bie­ten. Ich bin zudem den Par­la­men­ten in Bund und Län­dern für die anhal­ten­de Finan­zie­rung der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie dank­bar.

Seit eini­gen Jah­ren fin­den ein­zel­ne Tagun­gen an der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie online statt, auch wenn an der Vor­herr­schaft des Prä­senz­for­mats nicht gerüt­telt wer­den soll. Die ergän­zen­de Ein­füh­rung digi­ta­ler For­ma­te bie­tet Chan­cen für eine noch höhe­re Teil­neh­mer­zahl und eine noch bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie. Sie soll zukünf­tig durch die Imple­men­tie­rung einer bun­des­wei­ten E‑Learning-Plattform aus­ge­baut wer­den.

Die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie ist für die Zukunft gut auf­ge­stellt und muss es auch sein. Denn eine unab­hän­gi­ge und her­vor­ra­gend fort­ge­bil­de­te Jus­tiz ist und bleibt Rück­grat unse­res Rechts­staats. Dies wird sich auch in den nächs­ten 50 Jah­ren nicht ändern. Dabei wird wei­ter­hin auf eine aus­kömm­li­che Finan­zie­rung zu ach­ten sein.

Als Ver­tre­ter des Sitz­lan­des Rheinland-Pfalz ist es mir eine Freu­de, der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie zu ihrem 50-jährigen Bestehen herz­lich zu gra­tu­lie­ren. Ich wün­sche ihr auch in den kom­men­den 50 Jah­ren den ihr gebüh­ren­den Erfolg. Sie hat es verdient.

Fünfzig Jahre Deutsche Richterakademie: Bewährtes bewahren, Herausforderungen annehmen – Ein Erfahrungsbericht aus den Tagungsstätten

(von Dr. Ste­phan Jag­gi, LL.M., J.S.D. (Yale), Direk­tor der Deut­schen Richterakademie)

Die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie (DRA) wur­de am 16. Febru­ar 1973 eröff­net und fei­ert in die­sem Jahr ihr fünf­zig­jäh­ri­ges Bestehen. Die­ses Jubi­lä­um gibt mir die Gele­gen­heit, ein Resü­mee zu zie­hen über das, was sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bewährt hat, und über neue Her­aus­for­de­run­gen zu spre­chen, wel­chen die Aka­de­mie sich gestellt hat und noch stellt.

Die DRA ist die ein­zi­ge bun­des­weit ope­rie­ren­de Fort­bil­dungs­stät­te für Rich­te­rin­nen und Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Sie hat zwei Tagungs­stät­ten, eine in Trier (Rheinland-Pfalz) und eine in Wustrau (Bran­den­burg). Die Tagungs­stät­te in Trier wur­de 1973 eröff­net, die Tagungs­stät­te in Wustrau 1993.

Bewährt hat sich über fünf­zig Jah­re das Präsenz-Tagungsprogramm der DRA, das in bei­den Tagungs­stät­ten der Aka­de­mie statt­fin­det. Die­ses Tagungs­pro­gramm besteht zu 55% aus juris­ti­schen Fach­ta­gun­gen, zu 25% aus fach­über­grei­fen­den Tagun­gen und zu 20% aus ver­hal­tens­ori­en­tier­ten Tagun­gen. So sieht es die Beschluss­samm­lung der Pro­gramm­kon­fe­renz der DRA vor. In der Pra­xis wer­den meist etwas häu­fi­ger juris­ti­sche Fach­ta­gun­gen und ent­spre­chend etwas sel­te­ner inter­dis­zi­pli­nä­re und ver­hal­tens­ori­en­tier­te Tagun­gen ange­bo­ten.
Von den Teil­neh­men­den haben wir dazu über die Jah­re gute Rück­mel­dun­gen bekom­men: Rich­te­rin­nen und Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te aus der gan­zen Bun­des­re­pu­blik besu­chen die Tagun­gen der DRA seit Jah­ren rege und bewer­ten sie im Schnitt mit 8,1 von 9,0 erreich­ba­ren Punk­ten. Die bei­den Tagungs­stät­ten der DRA erreich­ten 2019 eine Aus­las­tung von 92,9%. Die Prä­senz­ta­gun­gen in den Tagungs­stät­ten bie­ten dabei vie­le Vor­zü­ge: Neben der in bei­den Tagungs­stät­ten hoch geprie­se­nen herz­li­chen Gast­freund­lich­keit der DRA-Teams und des vor­züg­li­chen Essens sehen die Teil­neh­men­den den Nut­zen von Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen vor allem auch dar­in, sich außer­halb des Unter­richts, in den Pau­sen, bei den Mahl­zei­ten und beim Gespräch nach Unter­richts­en­de, per­sön­lich und fach­lich aus­tau­schen zu kön­nen. Hier kommt es zu Lan­des­gren­zen über­schrei­ten­den Rechts­ge­sprä­chen, von deren Erfahrungs- und Wis­sens­trans­fer die Recht­spre­chung bun­des­weit pro­fi­tiert.

Mit dem Jahr 2020 waren Prä­senz­ta­gun­gen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr mög­lich. Die Pan­de­mie wur­de dadurch trotz aller ihrer Hür­den und per­sön­li­chen Belas­tun­gen für alle Betrof­fe­nen zur Gele­gen­heit für die DRA, sich einem bis dahin noch nicht umfäng­lich erschlos­se­nen Bereich zuzu­wen­den, näm­lich der Digi­ta­li­sie­rung. In der hei­ßen Pha­se der Pan­de­mie bestand die ein­zi­ge Alter­na­ti­ve zur kom­plet­ten Schlie­ßung dar­in, Tagun­gen online durch­zu­füh­ren. Die Her­aus­for­de­run­gen waren enorm und die Lern­kur­ve aller Betei­lig­ten ver­lief steil. In enger Koope­ra­ti­on mit den Jus­tiz­ver­wal­tun­gen des Bun­des und der Län­der waren wir jedoch nach kur­zer Zeit in der Lage, Online-Tagungen mit teil­wei­se über hun­dert Teil­neh­men­den mit gutem Erfolg durch­zu­füh­ren.

Die Digi­ta­li­sie­rung erlaub­te uns, vie­le geplan­te Tagun­gen wie ange­kün­digt durch­zu­füh­ren. Das war mit Sicher­heit für vie­le in ihrem Berufs­all­tag enorm durch die Her­aus­for­de­run­gen der Pan­de­mie gefor­der­ten Rich­te­rin­nen und Rich­ter und Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te ein stär­ken­der fach­li­cher Licht­blick und will­kom­me­ner Ort der vir­tu­el­len Begeg­nung. Wir erreich­ten so auch eine ganz neue Grup­pe von Teil­neh­men­den. Ins­be­son­de­re jun­ge Eltern sehen in Online-Tagungen auch heu­te eine Gele­gen­heit, sich fort­zu­bil­den, ohne dafür län­ge­re Abwe­sen­hei­ten von fami­liä­ren und beruf­li­chen Ver­pflich­tun­gen in Kauf neh­men zu müs­sen. Die Gesamt­zahl der Teil­neh­men­den stei­ger­te sich so von fast 4.500 Per­so­nen im Jahr 2019 auf knapp 5.500 im Jahr 2022. Inter­es­sant ist auch, dass sich der Anteil weib­li­cher Teil­neh­me­rin­nen von 49% in 2019 auf 56% in 2022 gestei­gert hat.

Die Erfah­rung zeigt aber auch, dass nicht jede Tagung für das digi­ta­le Medi­um glei­cher­ma­ßen geeig­net ist. Tagun­gen, bei denen ein sehr akti­ver Aus­tausch zwi­schen Teil­neh­men­den im Vor­der­grund steht, wur­den online als eher anstren­gend emp­fun­den. Kur­ze Tagun­gen, bei denen es in ers­ter Linie um Wis­sens­ver­mitt­lung geht, bie­ten sich hin­ge­gen sehr gut für Online-Fortbildungen an. Auf der Grund­la­ge die­ser Erfah­run­gen ent­schied die Pro­gramm­kon­fe­renz der DRA, dass Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen wei­ter­hin das Kern­ge­schäft blei­ben sol­len; zusätz­lich zum Kern­ge­schäft soll das digi­ta­le Fort­bil­dungs­an­ge­bot aber wei­ter aus­ge­baut wer­den, um so ins­ge­samt mehr Rich­te­rin­nen und Rich­tern, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten die Mög­lich­keit zu geben, sich bedarfs­ge­recht fort­zu­bil­den.

Die­se Vor­ga­be hat die DRA bis­lang so umge­setzt, dass im Jahr 2021 zunächst zwan­zig zusätz­li­che Online-Tagungen in das Pro­gramm auf­ge­nom­men wur­den. Zudem wur­de das For­mat der Hybrid-Tagung ein­ge­führt, bei der zusätz­lich zu den Teil­neh­men­den in Prä­senz wei­te­re Teil­neh­men­de online zuge­schal­tet wer­den. Online Zuge­schal­te­te kön­nen dabei nahe­zu unein­ge­schränkt mit den in Prä­senz Teil­neh­men­den kom­mu­ni­zie­ren. Das Ergeb­nis die­ser Neue­run­gen habe ich wei­ter oben bereits dar­ge­stellt: Eine deut­li­che Stei­ge­rung der Gesamt­zahl der Teil­neh­men­den von 2019 auf 2022 um etwa 20 %. Rück­mel­dun­gen der Teil­neh­men­den zei­gen jedoch auch, dass es rich­tig war, die Prä­senz­ta­gun­gen als Kern­ge­schäft der DRA nicht anzu­tas­ten. Sie bie­ten mit ihren Mög­lich­kei­ten zu infor­mel­lem, direk­tem Aus­tausch Vor­tei­le, die digi­ta­le Ver­an­stal­tun­gen nicht haben. Digi­ta­le Ver­an­stal­tun­gen die­nen in ers­ter Linie dazu, Teil­neh­mer­krei­se anzu­spre­chen, die aus beruf­li­chen oder pri­va­ten Grün­den bis­lang nicht oder kaum in der Lage waren, das Fort­bil­dungs­an­ge­bot der DRA zu nut­zen. Die kon­se­quen­te Digi­ta­li­sie­rung des Fort­bil­dungs­an­ge­bots der DRA bie­tet so mehr Teil­neh­men­den die Mög­lich­keit zur Fort­bil­dung. Zwei zusätz­li­che IT-Kräfte bei der DRA sind seit 2022 damit beschäf­tigt, das zusätz­li­che digi­ta­le Fort­bil­dungs­an­ge­bot zu ver­wal­ten und den not­wen­di­gen tech­ni­schen Sup­port bereit­zu­stel­len.

In einem nächs­ten Schritt hat die DRA im Febru­ar 2023 eine E‑Learning Platt­form in Betrieb genom­men. Die­se Platt­form macht zunächst allen Rich­te­rin­nen und Rich­tern, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten in der Bun­des­re­pu­blik zwei E‑Learning Modu­le zugäng­lich, und zwar eines zur inter­kul­tu­rel­len und eines zur digi­ta­len Kom­pe­tenz. Das sind zwei von ins­ge­samt drei E‑Learning Modu­len, für die der Bund im Pakt für den Recht­staat 2019 eine E‑Learning Platt­form hat ent­wi­ckeln las­sen. Unter www.e‑justizfortbildungen.de wird das Fort­bil­dungs­an­ge­bot für Rich­te­rin­nen und Rich­ter sowie für Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te um E‑Learning Fort­bil­dun­gen erwei­tert. Das drit­te Modul zur psy­cho­lo­gi­schen Kom­pe­tenz ist noch in Arbeit und soll Inter­es­sier­ten zeit­nah ver­füg­bar gemacht wer­den. Schließ­lich hat die DRA mit Unter­stüt­zung des Euro­pean Judi­cial Trai­ning Net­work (EJTN) eine sog. Zoom-Room Tech­no­lo­gie erwor­ben, mit deren Hil­fe künf­tig EU-weit digi­ta­le Jus­tiz­fort­bil­dung ange­bo­ten wird.

Ins­ge­samt hat die Pan­de­mie der DRA also einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub gege­ben, von dem die Jus­tiz­fort­bil­dung bun­des­weit pro­fi­tiert und auf dem sie in Zukunft auf­bau­en kann. Den nächs­ten fünf­zig Jah­ren DRA sehen wir so mit Span­nung entgegen.

Unter nach­fol­gen­dem Link kön­nen Sie einen wei­te­ren Arti­kel zum 50 jäh­ri­gen Jubi­lä­um der DRA nach­le­sen: Arti­kel Süd­deut­sche Zeitung.

Herbert Mertin (Minister der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz):
50 Jahre Deutsche Richterakademie, veröffentlicht in:
DRiZ, Heft 5, 2023, S. 175 ff.

Die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie besteht seit nun­mehr 50 Jah­ren in Trier in Rheinland-Pfalz und seit 30 Jah­ren in Wustrau in Bran­den­burg. Die fei­er­li­che Eröff­nung der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie in Trier am 16. Febru­ar 1973 mit Dr. Ger­hard Jahn als Bun­des­mi­nis­ter der Jus­tiz, Dr. Hel­mut Kohl als Minis­ter­prä­si­dent des Lan­des Rheinland-Pfalz und vie­len ande­ren pro­mi­nen­ten Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern wur­de zurecht als bedeu­ten­des Ereig­nis der deut­schen Jus­tiz­ge­schich­te und als ein gelun­ge­nes Bei­spiel eines koope­ra­ti­ven prak­ti­schen Föde­ra­lis­mus wahr­ge­nom­men. Man woll­te die beson­de­re Stel­lung der Jus­tiz und ihrer Auf­ga­ben im demo­kra­ti­schen Rechts­staat stär­ken und setz­te mit der Ein­rich­tung der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie dem bis dahin genutz­ten Pro­vi­so­ri­um der sog. „Flie­gen­den Aka­de­mien“ ein Ende.

Heu­te haben die aller­meis­ten Rich­te­rin­nen, Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te in ihrer beruf­li­chen Lauf­bahn schon ein- oder mehr­mals eine Tagung an der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie in einer der bei­den attrak­ti­ven Tagungs­stät­ten besucht. Die Fort­bil­dun­gen wer­den durch­weg als Berei­che­rung emp­fun­den. Im Zeit­raum von 1973 bis 2022 konn­ten an der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie 4.877 Tagun­gen mit ins­ge­samt 161.102 Teil­nah­men erfolg­reich durch­ge­führt werden.

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Fort­bil­dung ist unver­zicht­bar für die Bewäl­ti­gung des Berufs­all­tags der Rich­te­rin­nen und Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten. Der Leit­ge­dan­ke des lebens­lan­gen Ler­nens ist daher ein selbst­ver­ständ­li­ches Pos­tu­lat in der Jus­tiz. Die umfang­rei­chen Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie bele­gen dies ein­drucks­voll. So umfasst das Pro­gramm neben Fort­bil­dun­gen zum mate­ri­el­len natio­na­len und inter­na­tio­na­len Recht auch ver­hal­tens­ori­en­tier­te und inter­dis­zi­pli­nä­re Tagungen.

Dabei sind die Besu­che an der Rich­ter­aka­de­mie mehr als rei­ne Fort­bil­dun­gen. Die Tagungs­häu­ser in Trier und Wustrau sind auch Begeg­nungs­stät­ten, deren Besuch Gele­gen­heit zu kol­le­gia­len Kon­tak­ten und zum indi­vi­du­el­len Erfah­rungs­aus­tausch über die Län­der­gren­zen hin­weg bie­tet. Die Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten aus allen juris­ti­schen Berei­chen schär­fen seit 50 Jah­ren unter hohem per­sön­li­chen Ein­satz den Blick auf die aktu­el­le Recht­spre­chung und ihre Fort­ent­wick­lung eben­so wie auf gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen, denen sie in ihrem beruf­li­chen All­tag begeg­nen.

Mit ihrem Gesamt­an­ge­bot leis­tet die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie damit einen außer­or­dent­li­chen Bei­trag zu einer lebens­na­hen, leben­di­gen und wehr­haf­ten Jus­tiz, zu einer ein­heit­li­chen Anwen­dung des Bun­des­rechts.

Ich dan­ke allen, die in den letz­ten Jah­ren zu die­sem enor­men Erfolg bei­getra­gen haben: Den Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten, den Bediens­te­ten in der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie, Bund und Län­dern. Natür­lich gilt mein Dank auch der Stadt Trier und dem Land Bran­den­burg, wel­che seit nun­mehr stol­zen 50 bzw. 30 Jah­ren wun­der­schö­ne Tagungs­stät­ten bie­ten. Ich bin zudem den Par­la­men­ten in Bund und Län­dern für die anhal­ten­de Finan­zie­rung der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie dank­bar.

Seit eini­gen Jah­ren fin­den ein­zel­ne Tagun­gen an der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie online statt, auch wenn an der Vor­herr­schaft des Prä­senz­for­mats nicht gerüt­telt wer­den soll. Die ergän­zen­de Ein­füh­rung digi­ta­ler For­ma­te bie­tet Chan­cen für eine noch höhe­re Teil­neh­mer­zahl und eine noch bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie. Sie soll zukünf­tig durch die Imple­men­tie­rung einer bun­des­wei­ten E‑Learning-Plattform aus­ge­baut wer­den.

Die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie ist für die Zukunft gut auf­ge­stellt und muss es auch sein. Denn eine unab­hän­gi­ge und her­vor­ra­gend fort­ge­bil­de­te Jus­tiz ist und bleibt Rück­grat unse­res Rechts­staats. Dies wird sich auch in den nächs­ten 50 Jah­ren nicht ändern. Dabei wird wei­ter­hin auf eine aus­kömm­li­che Finan­zie­rung zu ach­ten sein.

Als Ver­tre­ter des Sitz­lan­des Rheinland-Pfalz ist es mir eine Freu­de, der Deut­schen Rich­ter­aka­de­mie zu ihrem 50-jährigen Bestehen herz­lich zu gra­tu­lie­ren. Ich wün­sche ihr auch in den kom­men­den 50 Jah­ren den ihr gebüh­ren­den Erfolg. Sie hat es verdient.

Fünfzig Jahre Deutsche Richterakademie: Bewährtes bewahren, Herausforderungen annehmen – Ein Erfahrungsbericht aus den Tagungsstätten

(von Dr. Ste­phan Jag­gi, LL.M., J.S.D. (Yale), Direk­tor der Deut­schen Richterakademie)

Die Deut­sche Rich­ter­aka­de­mie (DRA) wur­de am 16. Febru­ar 1973 eröff­net und fei­ert in die­sem Jahr ihr fünf­zig­jäh­ri­ges Bestehen. Die­ses Jubi­lä­um gibt mir die Gele­gen­heit, ein Resü­mee zu zie­hen über das, was sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bewährt hat, und über neue Her­aus­for­de­run­gen zu spre­chen, wel­chen die Aka­de­mie sich gestellt hat und noch stellt.

Die DRA ist die ein­zi­ge bun­des­weit ope­rie­ren­de Fort­bil­dungs­stät­te für Rich­te­rin­nen und Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Sie hat zwei Tagungs­stät­ten, eine in Trier (Rheinland-Pfalz) und eine in Wustrau (Bran­den­burg). Die Tagungs­stät­te in Trier wur­de 1973 eröff­net, die Tagungs­stät­te in Wustrau 1993.

Bewährt hat sich über fünf­zig Jah­re das Präsenz-Tagungsprogramm der DRA, das in bei­den Tagungs­stät­ten der Aka­de­mie statt­fin­det. Die­ses Tagungs­pro­gramm besteht zu 55% aus juris­ti­schen Fach­ta­gun­gen, zu 25% aus fach­über­grei­fen­den Tagun­gen und zu 20% aus ver­hal­tens­ori­en­tier­ten Tagun­gen. So sieht es die Beschluss­samm­lung der Pro­gramm­kon­fe­renz der DRA vor. In der Pra­xis wer­den meist etwas häu­fi­ger juris­ti­sche Fach­ta­gun­gen und ent­spre­chend etwas sel­te­ner inter­dis­zi­pli­nä­re und ver­hal­tens­ori­en­tier­te Tagun­gen ange­bo­ten.
Von den Teil­neh­men­den haben wir dazu über die Jah­re gute Rück­mel­dun­gen bekom­men: Rich­te­rin­nen und Rich­ter, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te aus der gan­zen Bun­des­re­pu­blik besu­chen die Tagun­gen der DRA seit Jah­ren rege und bewer­ten sie im Schnitt mit 8,1 von 9,0 erreich­ba­ren Punk­ten. Die bei­den Tagungs­stät­ten der DRA erreich­ten 2019 eine Aus­las­tung von 92,9%. Die Prä­senz­ta­gun­gen in den Tagungs­stät­ten bie­ten dabei vie­le Vor­zü­ge: Neben der in bei­den Tagungs­stät­ten hoch geprie­se­nen herz­li­chen Gast­freund­lich­keit der DRA-Teams und des vor­züg­li­chen Essens sehen die Teil­neh­men­den den Nut­zen von Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen vor allem auch dar­in, sich außer­halb des Unter­richts, in den Pau­sen, bei den Mahl­zei­ten und beim Gespräch nach Unter­richts­en­de, per­sön­lich und fach­lich aus­tau­schen zu kön­nen. Hier kommt es zu Lan­des­gren­zen über­schrei­ten­den Rechts­ge­sprä­chen, von deren Erfahrungs- und Wis­sens­trans­fer die Recht­spre­chung bun­des­weit pro­fi­tiert.

Mit dem Jahr 2020 waren Prä­senz­ta­gun­gen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr mög­lich. Die Pan­de­mie wur­de dadurch trotz aller ihrer Hür­den und per­sön­li­chen Belas­tun­gen für alle Betrof­fe­nen zur Gele­gen­heit für die DRA, sich einem bis dahin noch nicht umfäng­lich erschlos­se­nen Bereich zuzu­wen­den, näm­lich der Digi­ta­li­sie­rung. In der hei­ßen Pha­se der Pan­de­mie bestand die ein­zi­ge Alter­na­ti­ve zur kom­plet­ten Schlie­ßung dar­in, Tagun­gen online durch­zu­füh­ren. Die Her­aus­for­de­run­gen waren enorm und die Lern­kur­ve aller Betei­lig­ten ver­lief steil. In enger Koope­ra­ti­on mit den Jus­tiz­ver­wal­tun­gen des Bun­des und der Län­der waren wir jedoch nach kur­zer Zeit in der Lage, Online-Tagungen mit teil­wei­se über hun­dert Teil­neh­men­den mit gutem Erfolg durch­zu­füh­ren.

Die Digi­ta­li­sie­rung erlaub­te uns, vie­le geplan­te Tagun­gen wie ange­kün­digt durch­zu­füh­ren. Das war mit Sicher­heit für vie­le in ihrem Berufs­all­tag enorm durch die Her­aus­for­de­run­gen der Pan­de­mie gefor­der­ten Rich­te­rin­nen und Rich­ter und Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te ein stär­ken­der fach­li­cher Licht­blick und will­kom­me­ner Ort der vir­tu­el­len Begeg­nung. Wir erreich­ten so auch eine ganz neue Grup­pe von Teil­neh­men­den. Ins­be­son­de­re jun­ge Eltern sehen in Online-Tagungen auch heu­te eine Gele­gen­heit, sich fort­zu­bil­den, ohne dafür län­ge­re Abwe­sen­hei­ten von fami­liä­ren und beruf­li­chen Ver­pflich­tun­gen in Kauf neh­men zu müs­sen. Die Gesamt­zahl der Teil­neh­men­den stei­ger­te sich so von fast 4.500 Per­so­nen im Jahr 2019 auf knapp 5.500 im Jahr 2022. Inter­es­sant ist auch, dass sich der Anteil weib­li­cher Teil­neh­me­rin­nen von 49% in 2019 auf 56% in 2022 gestei­gert hat.

Die Erfah­rung zeigt aber auch, dass nicht jede Tagung für das digi­ta­le Medi­um glei­cher­ma­ßen geeig­net ist. Tagun­gen, bei denen ein sehr akti­ver Aus­tausch zwi­schen Teil­neh­men­den im Vor­der­grund steht, wur­den online als eher anstren­gend emp­fun­den. Kur­ze Tagun­gen, bei denen es in ers­ter Linie um Wis­sens­ver­mitt­lung geht, bie­ten sich hin­ge­gen sehr gut für Online-Fortbildungen an. Auf der Grund­la­ge die­ser Erfah­run­gen ent­schied die Pro­gramm­kon­fe­renz der DRA, dass Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen wei­ter­hin das Kern­ge­schäft blei­ben sol­len; zusätz­lich zum Kern­ge­schäft soll das digi­ta­le Fort­bil­dungs­an­ge­bot aber wei­ter aus­ge­baut wer­den, um so ins­ge­samt mehr Rich­te­rin­nen und Rich­tern, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten die Mög­lich­keit zu geben, sich bedarfs­ge­recht fort­zu­bil­den.

Die­se Vor­ga­be hat die DRA bis­lang so umge­setzt, dass im Jahr 2021 zunächst zwan­zig zusätz­li­che Online-Tagungen in das Pro­gramm auf­ge­nom­men wur­den. Zudem wur­de das For­mat der Hybrid-Tagung ein­ge­führt, bei der zusätz­lich zu den Teil­neh­men­den in Prä­senz wei­te­re Teil­neh­men­de online zuge­schal­tet wer­den. Online Zuge­schal­te­te kön­nen dabei nahe­zu unein­ge­schränkt mit den in Prä­senz Teil­neh­men­den kom­mu­ni­zie­ren. Das Ergeb­nis die­ser Neue­run­gen habe ich wei­ter oben bereits dar­ge­stellt: Eine deut­li­che Stei­ge­rung der Gesamt­zahl der Teil­neh­men­den von 2019 auf 2022 um etwa 20 %. Rück­mel­dun­gen der Teil­neh­men­den zei­gen jedoch auch, dass es rich­tig war, die Prä­senz­ta­gun­gen als Kern­ge­schäft der DRA nicht anzu­tas­ten. Sie bie­ten mit ihren Mög­lich­kei­ten zu infor­mel­lem, direk­tem Aus­tausch Vor­tei­le, die digi­ta­le Ver­an­stal­tun­gen nicht haben. Digi­ta­le Ver­an­stal­tun­gen die­nen in ers­ter Linie dazu, Teil­neh­mer­krei­se anzu­spre­chen, die aus beruf­li­chen oder pri­va­ten Grün­den bis­lang nicht oder kaum in der Lage waren, das Fort­bil­dungs­an­ge­bot der DRA zu nut­zen. Die kon­se­quen­te Digi­ta­li­sie­rung des Fort­bil­dungs­an­ge­bots der DRA bie­tet so mehr Teil­neh­men­den die Mög­lich­keit zur Fort­bil­dung. Zwei zusätz­li­che IT-Kräfte bei der DRA sind seit 2022 damit beschäf­tigt, das zusätz­li­che digi­ta­le Fort­bil­dungs­an­ge­bot zu ver­wal­ten und den not­wen­di­gen tech­ni­schen Sup­port bereit­zu­stel­len.

In einem nächs­ten Schritt hat die DRA im Febru­ar 2023 eine E‑Learning Platt­form in Betrieb genom­men. Die­se Platt­form macht zunächst allen Rich­te­rin­nen und Rich­tern, Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten in der Bun­des­re­pu­blik zwei E‑Learning Modu­le zugäng­lich, und zwar eines zur inter­kul­tu­rel­len und eines zur digi­ta­len Kom­pe­tenz. Das sind zwei von ins­ge­samt drei E‑Learning Modu­len, für die der Bund im Pakt für den Recht­staat 2019 eine E‑Learning Platt­form hat ent­wi­ckeln las­sen. Unter www.e‑justizfortbildungen.de wird das Fort­bil­dungs­an­ge­bot für Rich­te­rin­nen und Rich­ter sowie für Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­te um E‑Learning Fort­bil­dun­gen erwei­tert. Das drit­te Modul zur psy­cho­lo­gi­schen Kom­pe­tenz ist noch in Arbeit und soll Inter­es­sier­ten zeit­nah ver­füg­bar gemacht wer­den. Schließ­lich hat die DRA mit Unter­stüt­zung des Euro­pean Judi­cial Trai­ning Net­work (EJTN) eine sog. Zoom-Room Tech­no­lo­gie erwor­ben, mit deren Hil­fe künf­tig EU-weit digi­ta­le Jus­tiz­fort­bil­dung ange­bo­ten wird.

Ins­ge­samt hat die Pan­de­mie der DRA also einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub gege­ben, von dem die Jus­tiz­fort­bil­dung bun­des­weit pro­fi­tiert und auf dem sie in Zukunft auf­bau­en kann. Den nächs­ten fünf­zig Jah­ren DRA sehen wir so mit Span­nung entgegen.

Unter nach­fol­gen­dem Link kön­nen Sie einen wei­te­ren Arti­kel zum 50 jäh­ri­gen Jubi­lä­um der DRA nach­le­sen: Arti­kel Süd­deut­sche Zeitung.